Die Welt wird immer abenteuerlicher, geheimnisvoller, aufregender, während die Politik sie immer weiter reduziert. Nicht nur die Politik, auch die Religion mit ihren vereinfachenden Antworten. Die moderne Physik deckt dagegen immer neue Rätsel auf, je mehr sie in die Materie (in ihr Thema) eindringt. Am Anfang waren die Atome, heute haben wir es mit komplizierten Gleichungen zu tun, aus deren Ergebnissen zum Beispiel hervorgeht, dass der Raum neun Dimensionen haben muss.

Das versteht keiner mehr, der sich nicht vertieft mit der Sache befasst. Dabei könnten die Erkenntnisse der Quantenphysik und Kosmologie ein Hilfsmittel sein, um die Welt, in der wir leben, ein wenig besser zu begreifen, eingeschlossen das Erdendasein in dem grossen Raum, der seit dem Urknall expandiert.

In seinem Buch „Die ersten drei Minuten des Universum“ hat der amerikanische Physiker Steven Weinberg das Universum bis auf den Big Bang zurückberechnet. Weiter in der Geschichte des Universums zurückgehen konnte er nicht. Er stiess an die Grenze der Singularität.

Die Idee, dass mit dem Urknall ein Anfang gesetzt wurde – und zwar ein einmaliger Anfang –, läuft aber die Logik zuwider. Wie hat es angefangen – oder wie hat der Anfang angefangen? Was war vor dem Anfang? „Wenn alles auf das Eine zurückzuführen ist, worauf ist dann das Eine zurückzuführen?“ fragt ein zen-buddhistisches Koan. (Die Quantenphysik, soweit sie für einen Nicht-Physiker überhaupt verständlich ist, hat viel mit den Paradoxien des Zen-Buddhismus zu tun. Das würde immerhin eine poetische Annäherung an das physikalische Weltbild erlauben.)

Der deutsche Physiker Martin Bojowald hat jetzt in seinem Buch „Zurück vor den Urknall“ einen neuen Vorschlag gemacht. In dem er die Quantengravitation heranzieht, meint er, dass dem Big Bang (dem Urknall) ein Big Crunch vorausgegangen ist, dass man also von einer Abfolge von expandierenden und kollabierenden Universen ausgehen könne – oder müsse –, mithin von einer ewigen Abfolge von Zerstörung und Erneuerung, was wenigstens etwas ist, dass man auch mit dem einfachen Menschenverstand verstehen und überall in der Natur beobachten kann.

Haben wir es also mit einem zyklischen Universum zu tun? Das könnte in der Tat so sein.

Aber dann stellt sich sofort die Anschlussfrage, wie und unter welchen Umständen das zyklische Universum selbst in einer unvorstellbaren Vergangenheit begonnen hat.

Dass es „seit jeher“ bestanden hat, ist eine Aussage – übrigens von Heraklit als Erstem ausgesprochen –, die ebenso unbefriedigend ist, wie sie zudem im Widerspruch zur Logik steht.

Es ist also gut verständlich, dass Bojowald Verstärkung bei der Philosophie sucht: bei der Schwester der Physik, wie er sagt.