Im Jahr 1992 ist in der von Hans Magnus Enzensberger herausgegebenen „Anderen Bibliothek“ ein Band mit Briefen des Abbé Galiani erschienen. Ende des Jahres 2009 hat der Berliner Galiani-Verlag erneut einen gleichen Band veröffentlicht, erweitert um Auszüge aus Galianis Essays über das Geld und über den Getreidehandel und herausgegeben von Wolfgang Hörner.

Warum Galiani? Warum ihn lesen? Was kann er heute noch bedeuten?

Das sind nur scheinbar berechtigte Fragen. Ein gescheites und geistreiches Buch ist immer ein Vergnügen zu lesen.

Ferdinando Galiani (1728-1787) war Sekretär des Gesandten des Königreichs Neapel in Paris und verkehrte dort zwischen 1759 und 1769 im Kreis der Aufklärer. Es war die beste Zeit seines Lebens. Als er nach Neapel zurückberufen wurde, führte er nur noch ein jammervolles Leben.

Beschrieben wird Galiani als kleinwüchsig, aber von blendendem Geist, unterhaltsam, anregend, ebenso skeptisch wie satirisch. Sein Briefwechsel mit Madame d‘Epinay ist ein wahres Zeitdokument und wegen seines Witzes und seiner Einfälle ebenso unterhaltsam wie tiefblickend, zum Beispiel, was die Auseinandersetzung zwischen Physiokraten (oder Ökonomisten) und Merkantilisten betrifft. Die ersten versprachen sich allen Wohlstand vom Ackerbau, die zweiten vom Export von Manufakturwaren. Es war die aktuelle ökonomische Frage von damals.

In Galianis „Dialogen über den Getreidehandel“ geht es nur vordergründig um das, was der Titel andeutet. Das Buch ist ein machiavellistisches Manifest. Notfalls sei Freiheit besser als Zwang, wenn damit eine Republik verhindert werden kann – so doppelzüngig konnte Galiani sein. Nur darf Machiavellismus nicht mit Zynismus der Macht gleichgesetzt werden, vielmehr ist er die Lehre von der Anwendung der richtigen beziehungsweise erfolgversprechenden Methode. Ich fürchte, dass die gewählten Auszüge us dem "Getreidehandel" jedoch nicht ausreichen, um den Hinter- und Tiefsinn des Werks zu verstehen (trotz der Fussnoten). Warum nicht den „Getreidehandel“ neu auflegen? Weil nur ein paar Wenige sich dafür interessieren? Ach ja?

Galiani sagt auch, dass, wer überzeugt sei, schlecht handeln würde (denn er muss klug handeln), und dass der rechtschaffene Mensch jemand ist, der im Wahn lebt (denn er muss ein Ziel haben und es erreichen).

In diesen Zusammenhang fällt auch Galianis Warnung vor jeder Art von Verallgemeinerung. Das Gleiche kann in einem Fall richtig und in einem anderen falsch und fehl am Platz sein. Eine Bemerkung, die etwas Heilsames hat in einer Zeit, in der jede Meinung auf die Spitze getrieben wird.

Galiani befürwortete auch die Pressezensur. Das tönt zunächst unglaublich, aber der kleine Neapolitaner in Paris wollte damit sagen, dass durch sie die Schreibenden gezwungen werden, strategisch und intelligent mit dem Wort umzugehen, so dass alle verstehen, was gemeint, nur der Zensor nicht.

Ferdinando Galiani. Nachrichten vom Vesuv. Briefe, Blitze, Lästereien. Galiani Verlag Berlin. Fr. 45.90.