Warum reisen die Menschen in der Welt herum? Früher mussten sie sich auf den Weg machen, wenn sie etwas erreichen wollten. Heute tun sie es zum Vergnügen.

Was das für ein manchmal dubioses und meistens fragwürdiges Vergnügen ist, will Klaus Kufeld in seinem Buch „Reisen“ („Bibliothek der Lebenskunst“, Suhrkamp) herausfinden. Weil er sich aber als multikulturell korrekter Reisen outet, kommt er nicht weit und bleibt im Widerspruchsfeld der Bedenken und der Konformität hängen.

Erst auf Seite 107 (von 127) entdeckt er „den toten Winkel auf unserer Weltreisekarte“, den geheimnisvollen Ort, wo der Reisende aus der Bahn kippt wie Arthur Gordon Pym am Ende seiner Reise im Roman von Edgar Allen Poe und in einen neuen Seinszustand eintritt. Allein darin liegt der Sinn des Reisens. Baudelaire hatte es in dem Gedicht „Le voyage“ so ausgedrückt: „Les vrais voyageurs sont ceux-là qui partent pour partir.“

Das ist heute nicht mehr ohne weiteres möglich. Wir haben korrekte Reisende zu sein, Rücksicht zu nehmen, Respekt für andere Kulturen zu erbringen.

Ist ja klar, aber das müsste heissen, dass es umgekehrt auch gilt. Doch genau das ist nicht erwiesen. Das multikulturelle Durcheinander ist mittlerweile so gross, dass es keine Orientierung mehr gibt. Natürlich zerstört der Tourismus die balinesische Kultur, aber in welchem Mass der Tourismus beziehungsweise die Migration, denn die ist das zu Grunde liegende Problem, unsere eigene Kultur wie Rost, wie Schimmel affiziert, ist eine Frage, die aus unverständlichen Gründen mit allen Mitteln unterdrückt wird. Man könnte sich verdächtig machen.

Was der Tourismus, diese neue Völkerwanderung, den Ländern antut, und zwar allen Ländern, ist unbeschreiblich. Ich kann die Folgen in der Schweiz einigermassen beurteilen.

Natürlich lässt sich darauf erwidern, dass wir selber die Verursacher sind. Das stimmt teilweise – aber eben nur teilweise. Für wohlhabende, Devisen bringende Touristen, und die kommen per definitionem immer aus dem jeweiligen Ausland, wird alles getan. Ich bin sicher, dass die Hoteliers in Genf und anderswo ein Lied singen können über ihre Gäste. Wenn wir bis zum Jahr 2020 in Europa mit 115 Mio Touristen aus China rechnen können (oder müssen), also mit Millionen von Fremden aus vielen weiteren Ländern, dann steht uns noch einiges bevor.

Wir müssen daher eine neue Sprache entwickeln, um über das Thema Reisen zu sprechen, und am besten gleich damit anfangen, zwischen dem Touristen und dem Reisenden, der ein unsichtbarer, spurloser Reisender ist, einen Unterschied zu machen.