Wer viel reist, wer viel unterwegs ist, sieht viel und bekommt einen erweiterten Blick. Das kann man vom polnischen Reporter Ryszard Kapuscinki sagen, der die halbe Welt bereist hat.

Reisen heisst vergleichen. Die Welt hört nicht an der eigenen Haustür auf. Sie fängt dort erst an. Was bei mir zu Hause gilt, muss nicht auch draussen in der Welt gelten. Aber wenn das richtig ist, dann kann die Umkehrung auch nicht falsch sein.

In seinen „Notizen eines Weltbürgers“ (Eichborn Verlag), dem letzten Buch vor seinem Tod, hat Kapuscinski die Feststellung gemacht, dass die meisten Menschen unfähig seien, in globalen Kategorien zu denken. Bezeichnenderweise spricht er vom Weltbürger und nicht vom Global Player, für den die Devise lautet: „Show me your money“. Der Weltbürger ist der aufgeklärte Zeitgenosse, der gelernt hat zu analysieren und zu unterscheiden.

Die Welt hat sich in einem unvorstellbaren Ausmass gewandelt. Was Kapuscinski dabei am meisten aufgefallen ist, sind die enormen sozialen Unterschiede. Die einen strahlen auf der Bühne, die anderen applaudieren im Zuschauerraum. Sollte das die neue Weltordnung sein? Es sieht so aus, als wären die neuen Konflikte programmiert.

Wir sind von den Klassenkämpfen zu den ethnischen und religiösen Spannungen übergegangen. Die Religionen haben die Ideologien ersetzt, aber selbst den Charakter von Ideologien angenommen.

Ryszard Kapuscinskis scharfer Blick erkennt die Probleme der heutigen Welt und analysiert sie. Achtung: Es sind die Probleme, deren Virulenz wir morgen mit aller Gewalt zu spüren bekommen werden.